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mira123's reviews
847 reviews
Brown Girls by Daphne Palasi Andreades
- Diverse cast of characters? Yes
5.0
Dieses Buch handelt von Soraya, Ruth und Claire und von hunderten anderen Mädchen, Frauen und Menschen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde - zusammengefasst hier unter dem Begriff "brown girls". Ihnen gemeinsam ist nur, dass sie die Kinder von Einwanderern sind und sie im „miesen Teil von Queens“ aufgewachsen sind. Das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Trotz des Titels haben die Figuren nicht mal die Hautfarbe gemeinsam - denn "braun" bedeutet nicht gleich "braun". Wie hier in einem ganzen Kapitel beschrieben wird. Es gibt etwa eine Millionen Schattierungen und das alles kann man eigentlich gar nicht mit einem Begriff zusammenfassen. Das wird hier beim Lesen schnell klar - und trotzdem wird "brown girls" hier als Selbstbezeichnung das ganze Buch über verwendet.
Andere Unterschiede: Die Protagonist:innen haben unter ungesunden Familienstrukturen gelitten (oder auch nicht), haben die Schule abgeschlossen (oder nicht), sind dem miesen Teil von Queen entflohen (oder sind geblieben), haben Karriere gemacht (oder nicht). Es gibt nicht den einen klaren Lebensweg, der hier anhand einer Protagonistin vorgestellt wird, stattdessen zeichnet die Autorin mithilfe einer auktorialen Erzählerin ein Bild von so vielen Leben, wie nur in einem Buch beschrieben werden können. Sie erzählt von Armut und dem Kampf dagegen, von Identitäten, die durch Migrationserfahrungen geprägt wurden, von externem und internalisiertem Rassismus von klein auf. Die dabei verwendete Sprache ist überraschend lyrisch und erinnert an Rap-und Hip-Hop-Texte.
Wie in diesen Musikgenres üblich, wird auch hier eine informale Sprache verwendet und für Bücher ungewöhnlich oft geflucht. Das hat mich nicht gestört, da es zum Gesamtwerk passt, wird aber wahrscheinlich nicht allen Leuten gefallen.
Mein Fazit? Dieser Roman ist überraschend und ungewöhnlich – in seiner Sprache, in seinem Stil, in seiner Art, ein Leben als Person of Colour in den USA zu beschreiben. Das erfordert geduldige Leser:innen, die gewillt sind, sich auf ein solches Buch einzulassen. Ich persönlich war begeistert.
"Immer wissen, daß man zu danken hat": Kinder in Kafkas Kosmos by Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V.
4.0
Jetzt ist das Eis gebrochen und ich packe mir regelmäßig Bücher von der Arbeit ein. Was nicht unbedingt ideal für meinen Stapel der Schande ist, aaaaaber ich gebe mir Mühe, dass ich nicht übertreibe. Auf dieses Buch wurde ich neugierig, weil es hier um Franz Kafka geht. Jap, das war mein Gedankenprozess: "Ooooooh, Kafka!" Wie Kafka irgendwas mit Kindern am Hut haben kann, war mir zwar nicht ganz klar, aber ich war bereit dazu, mich überraschen zu lassen und noch was Neues über diesen Autoren zu lernen. Auch wenn ich nicht viel mehr erwartet hatte, als vielleicht diese Geschichte von Kafka und der verlorenen Puppe, die sich auf verschiedenen Social-Media-Kanälen wie ein Lauffeuer verbreitet.
Joa, und hier sind wir schon am ersten Punkt, den ich hier gelernt habe: Die Geschichte, wie sie online so gerne geteilt und inzwischen sogar in Kinderbüchern verbreitet wird, stimmt so nicht ganz. Wie das eigentlich abgelaufen ist, könnt ihr entweder im Originaltext von Kafkas letzter Lebensgefährtin Dora Diamant nachlesen oder in diesem Büchlein.
Auf diese und andere Geschichten, Gerüchte und auf verschiedene Fragen geht die Autorin mithilfe von vielen Textausschnitten und Zitaten von und über Kafka ein. Anschließend kontextualisiert sie diese in einem längeren Fließtext. Fließtext und Zitate werden durch eine unterschiedliche Schriftfarbe von einander abgehoben: Der Fließtext ist schwarz, die Zitate sind blau. An sich halte ich diese Abgrenzung für eine gute Idee und für sehr hilfreich – in der Praxis ist aber der Unterschied gerade bei schlechterem Licht oder dem Licht einer Nachtischlampe kaum zu erkennen. Zumindest für mich. Kann natürlich auch einfach an meinen schlechten Augen liegen, who knows?
Überraschend war für mich das bunte und verspielte Design. Das habe ich von einem Buch über Kafka nicht erwartet. Alles, was von dem Typen handelt oder von ihm geschrieben wurde, wird ja heute am liebsten in sehr dunklen Farben gedruckt, am liebsten mit Ungeziefer drauf, egal ob es tatsächlich um "Die Verwandlung" oder den "Bau" geht oder nicht. Da war das mal eine nette Abwechslung.
Wer dieses Buch lesen möchte, sollte ein gewisses Grundwissen über Franz Kafka mitbringen. Der Text ist trotzdem gut verständlich, aber bei einem so kurzem Buch kann natürlich nicht auf jedes Detail aus Kafkas Leben eingegangen werden.
Mein Fazit? Ein nettes Fachbuch für Zwischendurch!
Curious Tides by Pascale Lacelle
1.0
Diese Rezension schiebe ich jetzt auch schon Ewigkeiten vor mich her, obwohl mir schon seit sicher einem Monat klar ist, dass ich das hier nicht beenden werde. Ich glaube, ich habe das vor allem so lange vor mir hergeschoben, weil diese Entscheidung dann endgültig wird - oder zumindest fühlt es sich dann so an. Und ich wollte dieses Buch wirklich gerne mögen. Der Mond strahlte für mich schon immer eine Art von Magie aus, deswegen hatte mich der Klappentext schon bei "Mondmagie". Auch das Meer liebe ich aus ganzem Herzen. Diese Mischung, die hier angeteasert wird, hätte mich überzeugen müssen - zumindest war ich davon überzeugt.
Mein erstes Problem begann schon sehr früh im Buch: Ich hatte das Gefühl, dass ich hier einen zweiten Band lese. Romie ist bereits tot als die Geschichte beginnt. Was man ja auch definitiv machen kann und in Ordnung wäre - aber ich hatte das Gefühl, als würde die Autorin hier von meiner Seite Wissen voraussetzen, das ich nicht haben kann. Ich verstand die Bedeutung dieser Mutprobe nicht, konnte die Beziehung zwischen Romie und Emory nicht richtig einschätzen und das Magiesystem erst recht nicht. Ich verstand nicht, wie dieses Schulsystem funktioniert oder warum Leute scheinbar beim kleinsten Fehltritt direkt ihrer Magie und Persönlichkeit beraubt werden. Die Autorin hat sich eindeutig sehr viel überlegt, aber bei mir angekommen ist davon nicht so viel, wie die Autorin sich wahrscheinlich gewünscht hätte. Information vermittelt wurde nämlich gefühlt fast nur in Form von Infodumps oder in Flashbacks. Beide machte es schwierig, mich bei der Stange zu halten. Und innerhalb der ersten 50 Seiten war ich dann bereits so verwirrt und frustriert, dass ich damit begann, diesen Roman zu verfluchen.
Mein zweites Problem war Emory, also die Protagonistin. Ich kam mit ihr einfach gar nicht zurecht. Sie war mir von Seite 1 weg unsympathisch, was vor allem damit zu tun hatte, dass sie sich zumindest in den ersten Kapitel dieses Buches sehr ich-bezogen verhält. Sie ist die wichtigste, sie ist diejenige, die unter Romies Tod am allermeisten leidet und natürlich ist sie auch Schuld am Tod - aber gleichzeitig auch wieder nicht, denn sie ist ja das Opfer in der Geschichte. Lässt sich hier herauslesen, dass ich Emory gar nicht ausstehen kann? Und sie gleichzeitig gar nicht so richtig einschätzen kann?
Baz Sichtweise mochte ich um einiges lieber - aber leider nicht gern genug, um dieses Buch beenden zu wollen. Während mir Emory einfach nur auf die Nerven ging, fand ich Baz, naja, langweilig.
Mein Fazit? War leider so gar nicht mein Fall. Schade!
Trotz by Ronja von Rönne
4.0
Ich war schon immer ein Trotzkopf, zumindest wurde mir das als Kind und Jugendliche gerne nachgesagt. Was natürlich nichts Positives war. Meine Eltern mussten mir deswegen zum Beispiel Nachhilfe finanzieren, weil ich meine Lehrerin in einem Fach so wenig mochte, dass ich das Fach komplett verweigert habe. Aber als erwachsene Frau bin ich natürlich nicht mehr trotzig - oder? Ich bin „durchsetzungsstark“, „selbstbewusst“, „Führungspersönlichkeit“, aber immer auch ein bisschen "schwierig". Wen überrascht es, dass ich durch dieses Buch meinen Trotz von Früher in diesen Beschreibungen wiedererkannt habe?
Dabei halte ich Trotz eigentlich nicht erst seit diesem Buch für ein nicht unbedingt nur negatives Gefühl. Trotz ist nicht nur ein schreiendes Kind an der Supermarktkasse - Trotz ist auch unglaublich produktiv. Wer Trotz fühlt, ist unzufrieden und bereit, sich zu gegen eine ungerechte Behandlung zu wehren. Zum Beispiel wenn man sich aus Trotz gegen politische Ungerechtigkeiten einsetzt, sich engagiert - oder auch einfach am Leben bleibt, auch, wenn es sich in diesem Moment fast unmöglich anfühlte. Beide Beispiel stammen aus diesem Buch. Denn die Autorin geht hier nicht nur auf Geschichte und Gesellschaft ein, sondern auch auf ihre eigene Biografie. Normalerweise mag ich das ja aktuell nicht wirklich, hier funktioniert diese Mischung aus sachlichen Essays und biografischer Erzählung aber gut.
Erzählt wird das ganze Buch in einem unglaublich sympathischen Tonfall. Ich habe mit diesem Buch viel gelacht und mich einfach verstanden gefühlt. Ganz große Empfehlung!
Das Mädchen mit dem Porzellangesicht by Simone Keil
4.0
Dieses Buch wollte ich vor allem wegen der Schauerroman-Vibes lesen, die meiner Meinung nach ganz klar von diesem Klappentext ausgestrahlt werden. Gleichzeitig wollte ich diese Maske sofort auch als Metapher lesen. Ihr kennt mich, ich bin Literaturwissenschaftlerin - ich kann einfach nicht aus meiner Haut, ich muss alles überanalysieren. Eh klar also, dass dieses Buch auf meinen eReader gewandert ist, oder?
Wir folgen hier Miyo durch ihr Leben. Ihr Vater hat einen sehr gruseligen Vertrag mit einem richtig gruseligen Typen geschlossen. Und dieser Typ seine Tochter nicht finden kann, muss sie ab sofort eine Maske aus Porzellan tragen. Immer. Denn nur so kann sie vor dem Advokaten verborgen bleiben. Wie genau das funktioniert, ob da Magie involviert ist, oder doch eher Technik, wurde für mich nicht ganz klar, aber das war für mich persönlich nicht so schlimm.
Generell kann man über die Welt sagen, dass es sich hierbei um eine Art Parallelwelt zu handeln scheint. Einerseits wirkte das hier beschriebene England auf mich wie das England zum Ende des 19. Jahrhunderts, gleichzeitig ist die Technik hier aber in manchen Aspekten weiter fortgeschritten, als sie es bei uns ist. So sind Roboter, die tatsächlich ein Bewusstsein und eine Persönlichkeit haben, hier etwas ganz Alltägliches. Was ich super spannend fand! Ich lese total gerne Steampunkt und schaue entsprechende Filme und dieser Roman hat mich an dieses Genre erinnert. Ob das genau so erwünscht war oder nur meine Assoziation kann ich nicht sagen. Aber zurück zu den Robotern: Klar scheinen die Figuren gewisse Vorgaben zu haben, anhand derer sie sich verhalten sollten - was sie aber nicht davon abhält, sich anders zu verhalten, wenn sie es für richtig halten. Und das fand ich großartig. Und gerade dieser Hintergrund machte es für mich einfacher, Dinge wie das Funktionieren der Porzellanmaske zu akzeptieren. Wenn solche Roboter in dieser Welt möglich sind, wird eine scheinbar magische Maske wohl das kleinere Problem sein.
Ein kleines Problem hatte ich leider mit dem Ende des Buches. Der ganze Konflikt zwischen Miyo und dem Advokaten wurde innerhalb der letzten fünf Seiten aufgelöst und das auf eine nicht besonders spannende oder interessante Art. Das fand ich richtig schade, denn ich habe mir hier einen großen Showdown erwartet. Ich war dann nach dem Ende doch eher enttäuscht. Das Buch und vor allem auch Miyo hätten mehr verdient, finde ich.
Mein Fazit? Ein guter Roman, der euch in eine spannende Welt entführen wird. Nur mit dem Ende war ich nicht ganz zufrieden.
Mein Name ist Lilith by Nikki Marmery
3.0
Ich habe noch während meiner Schulzeit zum ersten Mal von Lilith gehört. Natürlich nicht von meinen Lehrer:innen, dafür von einer anderen Schülerin. Ich war total fasziniert von dieser Figur, die aber damals von der großen Öffentlichkeit noch nicht besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Und bis heute sagt dieser Name wohl den meisten Menschen nichts. Allein deswegen wollte ich diesen Roman lesen. Eine Neuerzählung der Geschichte Liliths? Hell yes! Sehr gerne! Das muss ich lesen und rezensieren, damit so viele Menschen wie möglich erfahren, dass es diese Figur überhaupt gibt.
Dieser Roman erzählt aus der Perspektive Liliths die gesamte (biblische) Menschheitsgeschichte vom Garten Eden über die Arche Noah und Jesus bis hin zu unserer Gegenwart oder knapp davor. Und trotz der Tatsache, dass die meisten erzählten Ereignisse aus der Bibel stammen, schafft es die Autorin trotzdem, andere Kulturen und Religionen mit einzubeziehen und das auf eine überraschend wertschätzende Art. Das hat mich positiv überrascht. Super fand ich auch, dass man am Ende dieses Buches einen historischen Überblick findet, der über verschiedene Handlungsabschnitte aufklärt oder aber auch Gött:innen näher vorstellt, die in der Geschichte zwar genannt aber nicht weiter beschrieben werden.
Was die Geschichte selbst angeht, bin ich leider zwiegespalten. Einerseits mag ich die Grundidee sehr gerne und auch viele Abschnitte der Handlung fand ich schön. Zum Beispiel mochte ich die Liebesgeschichte zwischen Samael und Lilith und mir gefiel es, dass der Mythos von Lilith als kinderstehlende Dämonin hier darauf beruht, dass Lilith den kleinen Kindern vorsang. Weniger toll fand ich, zum Beispiel das Ende, das mich einfach unzufrieden zurückgelassen hat. Vor allem, da ich einfach nicht einsehen kann, inwiefern dieses Ende irgendwas für die Menschheit ändern wird?
Außerdem muss ich hier einfach die fehlenden Graustufen kritisieren. Gerade wenn ich auf die Beschreibung der Männer blicke, musste mir das auffallen - und ehrlich, ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ein Buch lese und das Gefühl habe, Männer verteidigen zu müssen. Vom christlichen Gott und Adam über Noah und seine Söhne bis hin zu irgendwelchen Nebenfiguren: Die hier vorgestellten Männer sind abgrundtief böse und hassen Frauen, die sie natürlich auch regelmäßig vergewaltigen, um ihren Hass auszudrücken. Die einzige Ausnahmen sind natürlich Samael und noch ein oder zwei andere Männer. Das fand ich schade. Auch ist mir aufgefallen, dass die Autorin zwar durchaus lesbische Frauen erwähnt, Lilith allerdings in ihrem unendlich langen Leben keine Figur findet, die Genderqueer wäre. Das hätte ich persönlich wichtig gefunden, da man diesem Buch sonst leicht vorwerfen könnte (und es in manchen Rezensionen auch tut), dass dieser Roman essentialistisch sei und Frauen auf ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, reduziert. Was ja in der Realität nicht unbedingt eine Fähigkeit ist, die alle Frauen haben - und umgekehrt macht es einen Menschen ja auch nicht zur Frau, nur weil die Person Kinder bekommen könnte.
Den Schreibstil würde ich über weite Teile als poetisch beschreiben. Das liest sich zwar sehr schön, hat mich aber davon abgehalten, größere Abschnitte unter einmal zu lesen. Denn einfach so treiben lassen, kann man sich bei diesem Schreibstil nicht - du musst immer aktiv mitdenken. Das hat mich persönlich nicht wirklich gestört, wer dieses Buch aber lesen will, sollte genügend Zeit und Energie dafür einplanen.
Mein Fazit? Ein interessanter Roman, der allerdings sein Potential nicht voll ausschöpft.
Nightowls: Boten der Dämmerung by Kathrin Tordasi
3.0
Dieses Buch lag peinlich lange bei mir daheim rum. Wäre es kein eBook gewesen, wäre es wohl verstaubt. Das hing aber nicht damit zusammen, dass ich keine Lust darauf hatte, ganz im Gegenteil. Schon seit längerer Zeit steht "Nightowls" auch im Bücherregal bei der Arbeit und jeden Tag, wenn ich daran vorbei gelaufen bin, habe ich mich gefreut, das auch bald in die Hand zu nehmen. Und dann ging ich nach Hause und habe irgendwie versucht, an meiner Masterarbeit weiterzuwerkeln und meine Wohnung davon abzuhalten, im Chaos zu versinken. Uuuund wieder blieb dieses Buch einen weiteren Tag ungelesen liegen. In den letzten beiden Wochen habe ich jetzt aber wieder versucht, meine Lese-Routine wieder aufzunehmen: 50 Seiten pro Tag, komme was wolle. Und eines der ersten Bücher, die ich im Zuge von diesem Experiment von ihrem SUB-Dasein erlösen konnte, war dieses hier. Endlich!
Zu Beginn dieses Buches war ich ehrlich ein bisschen verwirrt. Was sind Nachtboten und was sind Tagboten? Warum haben es die Tagboten auf die Nachtboten abgesehen? Was ist das Chaos? Und was unterscheidet dieses Chaos von dem meiner Wohnung? Und auch: Wie hängen all diese Perspektiven miteinander zusammen? Bei mir hat das etwas gebraucht, bis ich das alles endlich durchschaut habe. Sobald ich aber einen Grundstock an Wissen über diese Welt aufgebaut habe, fand ich diese Geschichte und ihre Figuren sehr spannend. Vor allem Nyx war mir bald sehr sympathisch. Bis auf ihre Nachtmagie ist sie nämlich eigentlich ein ganz normaler Mensch, der nur ihre Ruhe haben will.
Nach einem sehr starken Mittelteil folgte dann leider noch ein eher schwächeres Ende. Schwächer vor allem deswegen, da hier ein Plottwist auf den anderen folgt, was ich persönlich bald sehr verwirrend fand.
[Spoiler]
Ab Beginn der zweiten Hälfte habe ich das Chaos und die Chaosträger als Metapher für psychische Krankheiten gelesen und war überzeugt davon, dass diese Metapher bis zum Ende standhalten wird. Ich war mir sicher, dass vor allem das Thema Trauer noch eine große Rolle spielen würde - und das fand ich richtig toll, denn alle von uns werden irgendwann trauern müssen. Trauer ist ein grauenhaftes Gefühl, doch es ist Teil des Lebens und gehört dazu. Es bringt nichts, so zu tun, als hätten wir dieses Gefühl nicht, und uns zum Funktionieren zu zwingen. Genau das tun Nyx und James aber nach dem Tod ihres Adoptivbruders. Sie verdrängen den Schmerz und setzen sich nicht damit auseinander. Vor allem Nyx leidet sehr darunter, denn sie macht sich für Leons Tod verantwortlich. Diesen inneren Stress, unter dem beide Geschwister stehen müssen, als alles zerstörendes Chaos darzustellen, fand ich genial - denn genau so fühlt es sich doch an, zu trauern, oder? Zumindest für mich beschreibt das die erste Zeit nach dem Verlust von jemandem, den ich liebe, doch sehr gut. Und hier wird diese Trauer halt durch das Chaos sichtbar gemacht und für den Rest der Welt sichtbar gemacht. Für mich war das offensichtlich. Zumindest bis zu den letzten paar Seiten. Jetzt bin ich mir ehrlich gesagt nicht mehr ganz sicher, ob die Autorin diese Metapher tatsächlich so geplant hat, wie ich sie gelesen habe.
Das Buch liest sich im Großen und Ganzen sehr gut und konnte mich über weite Teile fesseln.
Alles in allem? Eine Lektüre über Geschwisterliebe und Trauer, mit einigen Schwächen, aber trotzdem spannend.
Stolz und Vorurteil - Die Graphic Novel nach Jane Austen by Jane Austen, Claudia Kühn
3.0
Ich schäme mich fast schon das zu sagen: Ich habe "Stolz und Vorurteile" bisher noch nicht gelesen. Und das als Literaturwissenschaftlerin, die hoffentlich bald ihren Master in den Händen hält. Klar habe ich schon Fächer belegt, in denen dieses Buch auf der Leseliste gestanden wäre. Aber trotzdem habe ich mich bisher immer darum herumgewunden. Es ist nicht so, als hätte ich es nicht zumindest versucht. Aber reingefunden habe ich bisher nie. Als ich dann auf NetGalley dieses Graphic Novel gesehen habe, habe ich einfach mal spontan beschlossen, diesem Roman eine allerletzte Chance zu geben.
Und was soll ich sagen? Ich habe tatsächlich endlich "Stolz und Vorurteile" fertig gelesen! Zwar nur als Graphic Novel, aber wer interessiert sich schon so genau für die Details?
Speaking of details: Die haben mir leider bei diesem Zeichenstil stellenweise gefehlt. Gerade wenn mehrere Figuren in einem Bild zu sehen waren, fiel es mir sehr schwer, sie auseinanderzuhalten. Und das war in vielen Fällen nicht unbedingt hilfreich, wenn es darum ging, die Geschichte zu verstehen. Das war für mich gerade zu Beginn ein Problem. Vielleicht wäre es hier gut gewesen, die Figuren etwas individueller zu gestalten.
Die Geschichte an sich gefiel mir besser, als ich ursprünglich gedacht hätte. Ich hatte tatsächlich Spaß mit der Geschichte, auch wenn dieser Spaß vor allem erst in der zweiten Hälfte auftauchte, als Mr. Darcy endlich seine Gefühle zu zeigen begann. Doch gleichzeitig fehlte mir bei Mr. Darcy ein sauberer Übergang. Während es für mich bei Lizzy sehr gut nachvollziehbar war, dass sie Mr. Darcy irgendwann nicht mehr leiden konnte, war das bei Mr. Darcy anders: In der einen Sekunde ist er ein arroganter Mistkerl, im nächsten Kapitel ist er unsterblich in Lizzy verliebt und würde alles für sie tun. Keine Ahnung, ob das im Originalbuch genauso ist. Es hat mich auf jeden Fall gestört, denn ich habe nicht ganz verstanden, woher Mr. Darcys Sinneswandel kommt. Nur, weil ihm Lizzy mal den Kopf gewaschen hat? Weil sie ihn für einen schlechten Menschen hält? Warum interessiert ihn das plötzlich? Das war für mich nicht ganz nachvollziehbar?
Mein Fazit? Ein Graphic Novel für Zwischendurch, das aber leider kleine Schwächen mitbringt.
Inside KI: Wie Künstliche Intelligenz und ihre Pioniere unser Leben und Arbeiten revolutionieren by Stephan Scheuer, Larissa Holzki
3.5
Künstliche Intelligenz ist im Moment ein riesen Thema. Und natürlich auch für mich, immerhin schreibe ich dazu meine Masterarbeit. Eh klar also, dass ich deswegen alles dazu lese, was ich in die Finger bekomme, oder? Selbst mein Arbeitsplatz ist vor dieser aktuellen Obsession von mir nicht sicher. Wie man an diesem Buch merkt, den das habe ich unauffällig eingesteckt, als wir es zugeschickt bekommen haben.
Auf Social Media ist KI ja gerade im Bezug auf die Literatur und die Kunst ein richtig heißes Eisen. Kein Tag vergeht, wo ich nicht irgendwo eine große Diskussion dazu sehe. Je nachdem, wen du fragst, ist KI die Erlösung oder ein Teufelswerk, das uns alle ruinieren wird. Dazwischen gibt es scheinbar nur sehr wenige Meinungen, was ich ziemlich schade finde. Nein, ich will in Zukunft nicht täglich zehn KI-geschriebene Romane angeboten bekommen. Trotzdem glaube ich, dass KI auch für Autor:innen ein hilfreiches Werkzeug sein kann.
In diesem Sachbuch haben die Autor*innen versucht, ein leicht verständliches Grundlagenwerk über Künstliche Intelligenz zu schaffen. Holzki und Scheuer erklären die Chancen – und Risiken –, die sich in verschiedenen Bereichen durch Künstliche Intelligenz ergeben. Es geht um Kunst, um Informatik, den Krieg oder die Medizin. Durch die breite Fächerung des Inhalts ist wohl für die meisten Leser*innen etwas Spannendes dabei.
Der Schreibstil ist dabei einfach verständlich und an vielen Stellen fast prosaischen Text. Das macht das Buch angenehm zu lesen und sicher auch für viele Leute verständlich. Allerdings hätte ich die erzählenden Abschnitte über die Details der Recherchereisen der Autor:innen nicht unbedingt gebraucht und habe diese Teile auch oft nur überflogen. Ich bin mir daher auch nicht sicher, wie sinnvoll die Einschübe wirklich waren.
Das Sachbuch ist übersichtlich aufgebaut. Hilfreich finde ich auch die Kurzzusammenfassungen am Ende jedes Kapitels.
Mein Fazit? Ein Buch, das vor allem für totale KI-Neulinge interessant sein könnte. Ich habe für mich aber leider eher weniger Neues gefunden.
Der Plan zur Rettung der Welt: Roman by Nick Fuller Googins
5.0
Dieses Buch ist der erste Roman seit einer halben Ewigkeit, den ich euch mal wieder uneingeschränkt empfehlen kann. Immer wieder begegne ich einfach Büchern, die mich daran erinnern, wie sehr ich das Lesen eigentlich liebe und warum ich mich dazu entschlossen habe, Literaturwissenschaften zu studieren. "Der Plan zur Rettung der Welt" ist eines dieser Bücher. Es ist unglaublich gut geschrieben, spannend, super kritisch und intelligent und hat meiner Meinung nach das Potential, zum Klassiker der Zukunft zu werden.
Doch worum geht es? Es geht um Emi und Larch. Die beiden sind Tochter und Vater und leben in einer klimaneutralen und friedlichen Welt. Während Larche und Emis Mutter noch vor Hitze und Waldbrände geflohen sind und gegen die Ausbeutung von Mensch und Umwelt gekämpft haben, lebt Emi ein bequemes Leben, das nur von den Erwartungen und ständigen Streitereien ihrer Eltern überschattet wird. Doch dann kommt es zu Anschlägen auf verschiedene Politiker – und die Welt, wie Emi und ihr Vater sie kannte, bricht damit zusammen. Denn in den darauffolgenden Ermittlungen ist Emis Mutter die Hauptverdächtige.
Dieses Buch erzählt von einer Welt am Rande des Abgrunds und ist dabei stets glaubwürdig. Auch der Generationenkonflikt zwischen Emi und ihren Eltern wirkte auf mich authentisch. Die Folgen des Klimawandels, die hier dargestellt und eindringlich beschrieben werden, bleiben im Gedächtnis - und entsprechen leider ziemlich genau dem, was auch wir in Zukunft erwarten können. Dass wir unseren Schmarrn endlich auf die Reihe bekommen und die Klimakatastrophe aufhalten können, glaube ich nach der Wahl am Sonntag leider nicht mehr. Genau wie es in diesem Roman beschrieben wird, werden auch wir in ein oder zwei Jahrzehnten Schadensbegrenzung betreiben müssen. Wie die Protagonisten werden wir Opfer bringen müssen - und ich kann nur hoffen, dass diese Opfer nicht ganz so groß sein werden wie hier.
Mein Fazit? Climate Fiction vom Feinsten und damit eine große Empfehlung für euch alle. Das hier hat es verdient, ein Klassiker der Zukunft zu werden!