mira123's reviews
848 reviews

Der Plan zur Rettung der Welt: Roman by Nick Fuller Googins

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5.0

 
Dieses Buch ist der erste Roman seit einer halben Ewigkeit, den ich euch mal wieder uneingeschränkt empfehlen kann. Immer wieder begegne ich einfach Büchern, die mich daran erinnern, wie sehr ich das Lesen eigentlich liebe und warum ich mich dazu entschlossen habe, Literaturwissenschaften zu studieren. "Der Plan zur Rettung der Welt" ist eines dieser Bücher. Es ist unglaublich gut geschrieben, spannend, super kritisch und intelligent und hat meiner Meinung nach das Potential, zum Klassiker der Zukunft zu werden. 
Doch worum geht es? Es geht um Emi und Larch. Die beiden sind Tochter und Vater und leben in einer klimaneutralen und friedlichen Welt. Während Larche und Emis Mutter noch vor Hitze und Waldbrände geflohen sind und gegen die Ausbeutung von Mensch und Umwelt gekämpft haben, lebt Emi ein bequemes Leben, das nur von den Erwartungen und ständigen Streitereien ihrer Eltern überschattet wird. Doch dann kommt es zu Anschlägen auf verschiedene Politiker – und die Welt, wie Emi und ihr Vater sie kannte, bricht damit zusammen. Denn in den darauffolgenden Ermittlungen ist Emis Mutter die Hauptverdächtige.
Dieses Buch erzählt von einer Welt am Rande des Abgrunds und ist dabei stets glaubwürdig. Auch der Generationenkonflikt zwischen Emi und ihren Eltern wirkte auf mich authentisch. Die Folgen des Klimawandels, die hier dargestellt und eindringlich beschrieben werden, bleiben im Gedächtnis - und entsprechen leider ziemlich genau dem, was auch wir in Zukunft erwarten können. Dass wir unseren Schmarrn endlich auf die Reihe bekommen und die Klimakatastrophe aufhalten können, glaube ich nach der Wahl am Sonntag leider nicht mehr. Genau wie es in diesem Roman beschrieben wird, werden auch wir in ein oder zwei Jahrzehnten Schadensbegrenzung betreiben müssen. Wie die Protagonisten werden wir Opfer bringen müssen - und ich kann nur hoffen, dass diese Opfer nicht ganz so groß sein werden wie hier. 
Mein Fazit? Climate Fiction vom Feinsten und damit eine große Empfehlung für euch alle. Das hier hat es verdient, ein Klassiker der Zukunft zu werden! 
Bible Bad Ass by Edith Löhle

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2.0

 
Man wird es kaum glauben: Ich bin immer noch Teil der katholischen Kirche, trotz der vielen Kritik, die ich nicht nur hier äußere. Der Grund dafür ist größtenteils, dass ich eine katholische Schule besucht habe und dort eine wunderschöne Art kennenlernen durfte, Glauben zu leben. Und auch, wenn man mich bis heute nur zu besonderen Anlässen in der Kirche sieht und ich keine Möglichkeit auslasse, Religion und vor allem die mächtigen Personen wie den Papst zu kritisieren, bin ich trotzdem noch immer Teil dieser Religion. Auch, wenn mich jede queerfeindliche oder sexistische Aussage des Papstes einen Schritt näher an den Austritt bringt. Vielleicht komme ich in die Hölle dafür, aber dieser Typ ist sowas von vorgestrig und sollte einfach keinerlei Macht haben dürfen. 
Und gerade weil die katholische Kirche in vielen Fällen immer noch unglaublich sexistisch und queerfeindlich ist, finde ich es wichtig, sich über Gegenentwürfe zu informieren. Und da gibt es wirklich viele tolle Projekte und Initiativen, die sich zum Beispiel für mehr Recht der LGBTQIA+-Community im katholischen Glauben einsetzen, für eine Aufhebung des Zölibats oder auch dafür, dass Frauen endlich als gleichwertig angesehen werden und nicht mehr rein auf ihre Gebärmutter reduziert werden. Also war ich natürlich auch auf dieses Buch sehr gespannt.

Aber nein. Das hat hier nicht unbedingt funktioniert. Leider, denn ich hätte mir das sehr gewünscht. Und dabei geht dieses Buch wirklich gut los! Klara flippt gegenüber ihres sexistischen Chefs endgültig aus, weil er ihren Artikel über eine queere und feministische Priesterin bis zur Unkenntlichkeit verändert hat. Sie wird zwangsbeurlaubt - und während dieses Zwangsurlaubs in eine seltsame Whatsapp-Gruppe eingeladen, die sich "Bible Bad Ass" nennt. Und hier lernen wir gemeinsam mit Klara die wichtigen Frauen der Bibel kennen. Und das könnte super interessant sein! Immerhin kennt die Bibel überraschenderweise doch relativ viele starke Frauengestalten, auch wenn diese durch verschiedene Übersetzungen und Überlieferungen teils bis zur Unkenntlichkeit verändert wurden. Oder habt ihr zum Beispiel gewusst, dass Maria ursprünglich eine junge Frau war und keine Jungfrau? Nein? Tja, wundert mich nicht wirklich, denn um sowas rauszufinden, muss man doch literaturwissenschaftliche Vorlesungen besuchen, zumindest meiner Erfahrung nach. Also hatte ich gehofft, durch den Bibelchat noch mehr über solche Fehler und Verunstaltungen zu erfahren.

Das hat sich aber nicht erfüllt. Stattdessen triftete der Chat sehr schnell ins Esoterische ab und war voll mit Kalendersprüchen (die im Buch auch selbst so genannt werden), die mich irgendwann nur noch die Augen verdrehen ließen. Es wirkte fast so, als wäre es hier das Ziel gewesen, so viele zitierfähige Sätze wie möglich zu schaffen - dabei schien aber der Rest des Buches eher vernachlässigt worden zu sein. So gibt es sehr schnell keine wirkliche Story mehr, abgesehen eben vom Bibelchat. Außerdem wurden dann gerade gegen Ende des Buches einige wirklich ungesunde Glaubenssätze verbreitet, die so einfach nicht unkommentiert stehen gelassen werden sollten. 
Zum Beispiel wird dann Klaras Umfeld als fast schon antagonistisch dargestellt. Und wisst ihr warum? Weil sie sich Sorgen machen und ein ernstes Gespräch mit Klara führen wollen. Was echt gerechtfertigt ist, denn Klara befindet sich in einer Lebenskrise und beginnt plötzlich, ein unglaubliches Interesse für Religion zu zeigen, obwohl sie sich früher nie dafür interessiert hat. In so einer Situation ist es eigentlich sogar sehr gut, dass Klaras Umfeld hier kritisch reagiert. Und der Ratschlag des Bibelchats, sich von diesen Menschen zu distanzieren, weil sie Klaras Glauben schwächen könnten und selbst noch nicht bereit dafür sind ... nun ja, wisst ihr, wer solche Ratschläge normalerweise gibt? SEKTEN! Klara verhält sich, als wäre sie plötzlich Teil einer verdammten Sekte, bricht Kontakt zu anderen ab, und fühlt sich in ihrem neu gefundenen Glauben um so vieles besser und intelligenter als andere Menschen in ihrem Umfeld.

Was mich auch sehr gestört hat, war die Lösung von Klaras Problem. Ich weiß, dass das (eben unter anderem wegen Religion) in unserer Gesellschaft anders verkauft wird, aber: weibliche Wut ist nicht das Problem. Weibliche Wut (und nichtbinäre und oft auch Wut im Generellen) kann unglaublich produktiv sein, ist aber meistens zumindest ein Signal, dass etwas an einer Situation nicht richtig ist. Einem wütenden Menschen zu empfehlen, dass er/sie/they nicht wütend sein solle und diese Wut zu moralisieren, ist nicht in Ordnung - genau das passiert hier aber zwischen den Zeilen. Statt mit Wut solle man mit Liebe reagieren. Tja ... sagt ein Buch über eine Religion, deren Gottessohn mal aus Wut einen Tempel auseinandergelegt hat.

Auch fand ich diese übertriebene und oft sehr skurrile Verherrlichung des weiblichen Körpers hier unangenehm. Ich will gar nicht wissen, wie oft es hier zu Wortneuschöpfungen mit den Worten "Vulva" (okay) und "Muschi" (ich hasse dieses Wort, warum wird das hier für Neologismen verwendet?!) kam. Klara hörte eine Millionen mal in ihren Schoß hinein. Ach, und scheinbar sind wir alle selbst schuld an unseren Regelschmerzen. Denn diese entstehen dadurch, dass wir nicht genug Kontakt mit unserer Weiblichkeit haben und kollektives Trauma mit uns herumtragen. Darüber konnte ich wirklich nur noch den Kopf schütteln. Ja, kollektives und vererbtes Trauma existiert und das haben wohl die meisten von uns. Aber so Menschen mit Menstruation für ihre Schmerzen verantwortlich zu machen? Nope, geht gar nicht!

Durch diesen übermäßigen Fokus auf das Individuelle, auf die Gefühlsebene und die Verteufelung von Kritik verliert dieses Buch leider auch etwas wirklich wichtiges aus den Augen: Die katholische Kirche ist bei weitem nicht perfekt. Da sind ein großer Haufen Änderungen nötig und ich glaube nicht, dass die sich einfach ergeben werden. Die werden nicht einfach von selbst auftauchen, nur weil wir fest genug an die Bibel und an göttliche Kräfte geglaubt haben. Dafür müssen wir arbeiten. Wir müssen Kritik üben, müssen wütend sein, neue Thesen an Kirchentüren annageln. Nur durch brav sein, wird sich nichts verändern. Und auch Bücher wie dieses tragen nicht unbedingt zu einer Revolution bei. 
The Candy House by Jennifer Egan

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1.0

 
Zuallererst direkt: Wer hier einen typischen Roman erwartet, ist an der falschen Adresse. Denn eigentlich würde ich dieses Buch eher als Kurzgeschichtensammlung als als Roman bezeichnen. Die Figuren hängen zwar alle zusammen und scheinen eine gemeinsame Geschichte zu erleben - oder zumindest verweist der Klappentext darauf -, aber in den ersten 75 Seiten merkt man davon nichts. Hier sah ich einfach nur wirklich viele Perspektiven, zwischen denen auch noch häufig gewechselt wurde. Der Schreibstil unterschied sich zwischen den einzelnen Kapiteln bisher auch nicht wirklich, was es für mich schwierig machte, mich zu erinnern, wer denn gerade erzählte.

Die Handlung dieses Buches dreht sich um verschiedene Männer, die sich ihrer Umwelt gegenüber absolut empathielos verhalten und sich scheinbar nur für sich selbst interessieren. Sie tun, was auch immer sie wollen und reagieren dann wie kleine Kinder überrascht darauf, dass ihr Handeln Konsequenzen mit sich bringt. Vielleicht finden sich in diesem Buch weiter hinten noch spannendere oder liebenswertere Figuren, die in mir mehr Gefühl als nur Frustration hervorrufen. Ich kann es euch nicht sagen, denn nach Seite 75 habe ich hier aufgegeben. Normalerweise zwinge ich mich zumindest, bis Seite 100 zu lesen, aber hier? Ich glaube, ich habe mir bereits jetzt schon ein Bild gemacht, das ausführlich genug ist, um meine Meinung begründen zu können.

Von der neuen App, von der uns ja schon im Klappentext erzählt wird, habe ich bisher leider auch noch nicht wirklich was mitbekommen. Was schade ist, denn diese App ist eigentlich der Grund, warum ich dieses Buch lesen wollte. Darüber bin ich vor allem deswegen überrascht, weil dieses Buch mit einem Kapitel aus der Sicht von Bix Bouton beginnt. Dann nach 75 Seiten festzustellen, dass diese gefeierte App noch nicht wirklich eine Rolle gespielt hat, war für mich dann doch eher überraschend. 

Mein Fazit? Das war leider gar nicht mein Fall. Schade. 
Verwandelt: Franz Kafka - Leben Lieben Literatur by Alexander Pavlenko, Thomas Dahms

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5.0

 
Ich bin mir immer noch unsicher, wie ich das mit den Arbeits-Rezensionsexemplaren machen soll. Denn ja: Hier bin ich schwach geworden und hab mir ein Buch in der Arbeit eingepackt. Soll ich das hier in der Rezension besonders kennzeichnen? Normalerweise tue ich das ja bei Rezensionsexemplaren immer. Aber: Das hier ist kein Rezensionsexemplar, das ich explizit für meinen Blog bekommen habe. Zählt das dann immer noch dazu? Oder fällt das dann unter Kategorie "Ganz normales Buch". Kann ich darüber eine Kurzrezension schreiben? Ich habe ganz ehrlich nicht die geringste Ahnung. Falls ihr besondere Wünsche habt, dann schreibt mir das gerne in die Kommentare, bis ich für mich selbst eine Antwort gefunden habe, probiere ich einfach ein paar verschiedene Varianten aus. Und meine erste Variante ist die für mich angenehmste: die Kurzrezension. Denn niemand zwingt mich dazu, dieses Buch auf meinem Blog zu rezensieren, denn ich lese es für ein anderes Medium, das mit diesem Blog kein bisschen zusammenhängt.
Also, worum geht es hier genau? Es handelt sich bei diesem Buch um eine Kafka-Biographie. Die beiden Autoren beschränken sich hier aber nicht nur auf Worte, sondern arbeiten auch mit Illustrationen und machen aus Kafkas Leben einen richtig spannenden Graphic Novel. Zusätzlich findet ihr hier einige Textausschnitte - wodurch diese Texte jeweils auch in Kafkas Leben verortet werden. Und gleichzeitig (zumindest bei mir) die Lust geweckt wurde, mal wieder einen (oder gleich alle) Kafka-Texte zu lesen. Kafka ist sowieso einer der Autor:innen, die mich besonders faszinieren. So sehr, dass ich sogar überlegt habe, meine Masterarbeit über einen seiner Texte zu schreiben, zumindest bis ich bemerkt habe, wieviel Sekundärliteratur ich dann berücksichtigen müsste. Meine Faszination mit ihm entstand viel zu früh, nämlich mit 12 Jahren. Damals habe ich mit meiner Familie einen Ausflug nach Prag gemacht und ging dort gemeinsam mit meinem Vater ins Kafka-Museum. Und tada: So wurde eine lebenslange Obsession in mir geweckt, die ich so schnell wohl nicht mehr loswerde. Warum das entstanden ist, kann ich bis heute nicht erklären, aber naja: Here we are!
Dieses Buch beschäftigt sich mit extrem vielen Themen, die für Kafka-Leser:innen spannend sein könnten - und das ohne, dass Vorwissen vorausgesetzt wird. Wahrscheinlich könntest du keine Ahnung haben, wer denn Kafka eigentlich ist, und dieses Graphic Novel trotzdem interessant finden. Besprochen werden sowohl Kafkas Familie und Jugend als auch seine Krankheit, seine Liebschaften und sein unerfüllter Wunsch, sich ganz dem Schreiben widmen zu können. 
Mein Fazit? Eine gut abgerundete Biografie mit tollen Bildern und vielen gut gewählten Textausschnitten und Zitaten. Konnte mich als  Kafka-Nerd sehr begeistern, ist aber sich auch was für Neulinge! 
That Time I Got Drunk and Saved a Demon by Kimberly Lemming

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2.0

 
Wer diese Rezension außerhalb von meinem Blog liest, wird sehen, dass es hier keine Sternebewertung gibt. Und das hat damit zu tun, dass ich selbst an meiner Leseerfahrung schuld bin und die Autorin nichts dafür kann. Und jetzt denken sich wahrscheinlich alle, die diese Rezension lesen: Mira, WAS ZUR HÖLLE IST PASSIERT? Joa. Was soll ich sagen? Ich hab mich wie immer brav die Triggerwarnungen durchgelesen. Und da war auch ein Trigger dabei, den ich nicht kannte: Dubcon. Und anstatt zu googeln, was das denn bitte bedeutet, bin ich einfach davon ausgegangen, dass mich das wahrscheinlich eh nicht stören wird. Tja, und so habe ich auf die harte Tour rausgefunden, was denn dubcon bedeutet. Damit ihr das nicht auch googeln müsst: Dubcon steht für "dubious consent". Heißt also, dass nicht ganz klar ist, ob alle Figuren Consent geben oder nicht. Keine Ahnung, ob ich da einfach zu altmodisch bin, aber ich war eher überrascht, als ich diese Definition gelesen habe. Für mich gibt es nur klaren Consent oder keinen Consent. Und wenn kein Consent da ist, dann gibt es da für mich keine Diskussion und keine Zweifel - dann ist kein Consent da. Da gibt es für mich keine Graustufen: Entweder alle Beteiligten sind informiert und begeistert, oder sie geben keine Zustimmung. Wer nicht voll informiert und begeistert seine Zustimmung kund tut, gibt keinen Consent. 
Ihr seht also: Ich bin für Bücher mit dieser Triggerwarnung wirklich nicht die richtige Leserin. Deswegen war ich auch vor allem in der ersten Hälfte des Buches eher schockiert. Ich will wirklich kein Kink-Shaming betreiben, aber damit kann ich wirklich gar nichts anfangen. 
Die zweite Hälfte des Buches war dann eher die typische Romanze, die ich mir von Anfang an erwartet hätte. Auch das war kein absolutes Lesehighlight, aber für mich um einiges ansprechender als die erste Hälfte. Hier wurde mir dann leider fast zu viel mit Klischees gespielt. Gerade im Bezug auf den Dämon konnte ich diese nicht alle mit der Figur, die uns in der ersten Hälfte gezeigt wurde, in Einklang bringen.
Mein Fazit? Ich bin nicht die Zielgruppe und konnte deswegen leider nicht viel mit diesem Roman anfangen. 
Scheiß auf Selflove, gib mir Klassenkampf: Eine neue Kapitalismuskritik by Jean-Philippe Kindler

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4.0

 
Wenn ihr diesen Blog lest, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr ähnlich denkt wie ich, und in der ersten Sekunde total verwirrt von diesem Titel sind. Wie sollen denn bitte Selflove und Klassenkampf zusammenhängen? Aber naja, um uns diesen Zusammenhang zu erklären, dafür ist ja Jean-Philippe Kindler da. Er erklärt hier, warum der aktuelle Trend rund um Selflove ein Zeichen dafür ist, dass der Klassenkampf schon lange überfällig ist. Anschließend geht er auch noch auf andere Bereiche unseres Lebens ein und stellt die Frage: Wo zeigt sich das noch? Dabei geht er auf viele interessante Punkte ein und zeigt so, wie ein neuer Klassenkampf die Situation für uns alle verbessern würde.
Ich persönlich war bis zum Ende etwas verwirrt, wie ein Klassenkampf denn nun wirklich aussehen würde. Ich höre dieses Schlagwort aktuell immer und immer wieder - aber weiß bis heute nicht, was ich mir darunter vorstellen kann. Auch dieses Buch konnte diese Frage leider nicht klären.
Ich stimme dem Autoren sicher nicht in jedem Detail seiner Argumentation zu. Aber: Er spricht viele wichtige Punkte an, argumentiert gut und ich kann seine große Message unterstützen. Ich kann mir zwar (wie so viele von uns) keine Alternative zum Kapitalismus vorstellen, aber das hängt wahrscheinlich eher damit zusammen, dass ich halt in diesem System aufgewachsen bin und darin lebe. Das geht sicher den meisten von uns so. Trotzdem kann der Kapitalismus nicht unsere beste oder sogar unsere einzige Option sein. Dieses System basiert auf der Ausbeutung von Menschen und der Natur. Das darf nicht unsere beste Option sein. Daran will ich einfach nicht glauben.
Mein Fazit? Ein interessanter Essay, den ich gerne gehört habe. 
Death of an Author: A Novella by Stephen Marche, Aidan Marchine

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Wer die Rezension zu diesem Roman auf einer anderen Seite als direkt auf meinem Blog liest, wird sehen, dass ich hier keine Sternebewertung hinterlassen habe. Und das hat auch einen guten Grund: "Death of an Author" ist ein Buch, das KI-generiert wurde. Das Thema ist aktuell riesig in der Bücherbubble und das auch aus gutem Grund. KI wirft viele Fragen auf, die noch nicht geklärt sind und die wir vielleicht auch zum aktuellen Zeitpunkt gar nicht wirklich klären können. Es geht dabei zum Beispiel um Fragen des Urheberrechts und der Kreativität. Egal, wie wir diese Fragen am Ende beantworten werden: Wir befinden uns am Startpunkt eines großen Umbruchs und ich bin gespannt, wo uns diese Reise hinführt. Und gleichzeitig habe ich auch Angst davor. Diese Mischung an Gefühlen ist für mich wohl der Hauptgrund, warum ich mich entschieden habe, meine Masterarbeit zum Thema zu schreiben. Aktuell bin ich laut meiner Wortzähl-App bei aktuell circa 60% meiner Arbeit und damit zeichnet sich das Ende damit endlich, endlich als kleiner Punkt am Horizont ab. Es geht in meiner Masterarbeit um Intertextualität und um Konzepte der Autorschaft und wie sich beides mit Künstlicher Intelligenz verbinden lässt. Und das muss ich natürlich anhand von verschiedenen Beispieltexten herausarbeiten. 

Einer dieser Texte ist "Death of an Author". Bei diesem Buch handelt es sich um einen Krimi, der laut eigener Angaben zu mindestens 95 % von KI generiert wurde. Und glaubt mir: Ich habe mir ordentlich den Kopf zerbrochen, ob es ethisch überhaupt vertretbar ist, dieses Buch zu rezensieren. Doch es ist mir wichtig, Künstliche Intelligenz und generierte Texte nicht im allgemeinen zu verteufeln. Denn wie immer gibt es nicht nur schwarz und weiß, sondern sehr viele Graustufen. Es gibt nicht nur die großartigen menschgemachten Texte und die schrecklichen KI-generierten Texte, die nicht mal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Stephen Marchine - der Mensch, der hinter diesem Buch steckt - hat es sich mit dieser Veröffentlichung nicht leicht gemacht. Der hat nicht einfach ChatGPT befohlen, ihm einen Kriminalroman zu schreiben, sondern viele Monate mit verschiedenen Programmen gearbeitet, um einen lesenswerten Roman zu verfassen. Dabei beweist er durch verschiedene intertextuelle Anspielungen im Text und durch ein ausführliches Nachwort auch, dass er sich mit den Themen Literatur und Kreatives Schreiben auch tatsächlich auskennt und sich wirklich für kreative Experimente wie eben dieses hier interessiert, und nicht einfach nur auf ein passives Einkommen hofft.

Ich bin an dieses Buch mit eher niedrigen Erwartungen herangegangen - denn sind wir mal ehrlich, die meisten generierten Texte, die aktuell im Netz herumschwirren, sind einfach nicht besonders gut. Denkt bitte daher auch gar nicht erst daran, mir jetzt euer generiertes Buch anzubieten, solltet ihr eines haben. Ich lese diese Bücher für meine wissenschaftliche Arbeit, nicht, weil ich in Zukunft nur noch solche Bücher lesen möchte. "

Death of an Author" hat mich dann aber doch noch überrascht. Doch einiger ungewöhnlicher Phrasen und Satzkonstruktionen, ist dieses Buch gut geschrieben. Auch der Inhalt war interessant und glaubwürdig, Einzig das Ende ließ mich etwas unzufrieden zurück. Da wurde die Spannung sehr schnell aufgelöst und ich finde, dass man dem Abschluss mehr Seiten hätte widmen können.

Trotzdem war das eine interessante Lektüre, die ich nach meiner Masterarbeit hoffentlich nicht hassen werde.

Mein Fazit? Interessant und mal was ganz anderes, als ich es sonst so kenne.
Das Buch der kostbarsten Substanz by Conny Lösch, Thomas Wörtche, Sara Gran

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5.0

 
Lilys Mann ist dement. Um seine Pflege finanzieren zu können, braucht Lily jeden Cent. Statt selbst Bücher zu schreiben, wie sie es früher getan hat und auch immer tun möchte, handelt sie daher mit seltenen antiquarischen Büchern. Statt ewig langer philosophischer Diskussionen mit ihrer großen Liebe, verhandelt sie über Verkaufspreise und mit Ärzt:innen. Nicht unbedingt das Leben, das sie sich gewünscht hat - aber was sonst bleibt ihr übrig? Als sie gebeten wird, das „Buch der kostbarsten Substanz“ zu für einen Kunden zu beschaffen, denkt sie sich daher auch nichts dabei. Sie wird ja ständig danach gefragt, irgendwelche seltenen Ausgaben für Sammler:innen zu besorgen. Das unglaublich hohe Honorar kann sie gut brauchen, also willigt sie ein. Doch dabei handelt es sich nicht um irgendeinen Essayband oder um normale okkulte Schriften - dieses Buch ist voll mit schwarzer Magie, die Unmögliches verspricht. Doch die Erfüllung deiner tiefsten Wünsche fordert einen Preis, der zu hoch scheint, um darauf näher einzugehen. Doch trotzdem stellt sich bald die Frage: Kann Lily der Macht des Buches widerstehen? 
Das war ein spannendes Buch, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte. Ich habe es bei der Buch Wien gekauft und dann auch eigentlich direkt danach gelesen. Trotzdem komme ich leider erst jetzt dazu, die Rezension zu schreiben. Upsi!
Was ihr beachten solltet, wenn ihr dieses Buch lesen möchtet: Das ist kein klassischer Thriller, auch wenn dieses Wort auf dem Cover steht. Es gibt keine Ermittlung, keine psychopathischen Mörder:innen und es steht nicht die Aufklärung eines Verbrechens im Vordergrund. Wer aber Lust auf eine ungewöhnliche Geschichte über Magie und Bücher hat, ist hier richtig. Ihr solltet nur nicht damit rechnen, einen klassischen Thriller zu lesen. Ganz ehrlich: Ich hab den Vermerk auf dem Cover zuerst gar nicht gesehen und hab das Buch automatisch in die Kategorie "Fantasy" eingeordnet. Und diese Erwartung hat sich dann auch eher erfüllt als die Erwartungen, die ich gehabt hätte, wenn ich mit einem klassischen Thriller gerechnet hätte. 
Überrascht wurde ich durch die existentiellen Fragen, die aufgeworfen wurden – und die ich mir als Leserin dadurch gleich selbst gestellt habe. Wie weit würde ich gehen, um die Leute zu retten, die ich liebe? Würde ich zu schwarzer Magie greifen? Eine wirklich tolle Lektüre! 
Unlearn Patriarchy 2 by Silvie Horch, Alexandra Zykunov, Emilia Roig

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5.0

 
Dieses Hörbuch versammelt unterschiedlichste Beiträge zu verschiedenen Themen des intersektionalen Feminismus. Was bedeutet intersektional? Nun, ganz vereinfacht gesagt: Ich habe als weiße Frau mit vielen Privilegien mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als eine POC-Frau, die in einem Flüchtlingslager lebt. Wir beide haben die Gemeinsamkeit, dass wir wegen unserer Weiblichkeit benachteiligt werden. Doch durch meine Privilegien sieht diese Benachteiligung anders aus. Während die fremde Frau vielleicht rassistische Angriffe ertragen muss, bekomme ich höchstens kleinere Aggressionen wegen meinem Namen ab. Während der fremden Frau als Frau und POC einige wirklich grausige Stereotype zugeschrieben werden (wie zum Beispiel das Klischee der "angry black woman" oder auch die Sexualisierung und Exotisierung von POC-Frauen), bleibe ich davon verschont. Seht ihr was ich meine? Falls es euch noch nicht ganz klar ist: Offensichtlich habt ihr Internetzugriff. Ich traue euch zu, dass ihr bessere Beispiele online findet.

Doch worum geht es in diesem Hörbuch nun wirklich? Nun, um fast alles. Es gibt hier Beiträge zum Thema Sport, zur Gender Pay Gap, über Literatur, über Krieg und so weiter und so weiter. Es gibt hier für sicher jedes Interesse den passenden Beitrag - und falls nicht, wird man sicher in Teil 1 fündig. Vermute ich zumindest mal. Den habe ich nämlich bisher nicht gehört. Das habe ich aber für die Zukunft fix eingeplant. Geschrieben wurden die Beiträge von super intelligenten Personen, die eindeutig Expert:innen für ihr jeweiliges Fach sind.

Dieses Hörbuch machte zumindest mich sehr wütend. Ich finde es schrecklich, dass wir das Jahr 2024 schreiben und intersektionaler Feminismus immer noch notwendig ist. Ich hasse es, zu wissen, dass ich als Frau nicht die gleichen Chancen habe, wie ein Mann sie hätte - wegen meiner Erziehung, der Rolle, die die Gesellschaft von mir erwartet, und den Möglichkeiten, die mir deswegen angeboten werden. Und ich bin wütend, dass mir trotz meiner Bildung und meines Vorwissens trotzdem nicht alle der hier beschriebenen Probleme bewusst waren. Ich habe hier nochmal viel Neues gelernt - was bei populärwissenschaftlichen Büchern über Feminismus leider nicht mehr oft der Fall ist. 

Mein Fazit? Ein Buch mit wirklich großartigen Beiträgen unterschiedlicher Autor:innen. Auf jeden Fall empfehlenswert! 
Männer töten by Eva Reisinger

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2.0

 
Wisst ihr, was ich hasse? Wenn ein Buch fast allen Leuten in meiner Umgebung gefällt und ich die einzige bin, die damit so gar nichts anfangen kann.

Ein großes Problem hatte ich persönlich leider mit dem Stil. Es gibt hier sehr viele Beschreibungen - aber leider wird dabei kaum das Innenleben der Protagonistin beleuchtet. Sie wirkte auf mich leider bis zum Schluss sehr distanziert zu allem und das finde ich schade - gerade, wenn man sich ansieht, was hier so passiert. Da wär Potential für unglaublich spannende innere Konflikte da, ich habe davon aber leider nicht viel gemerkt. So blieben dann leider auch ihre Motive nur wage. Und das ist schade, denn Anna Maria und ihre Freundinnen stellen hier einige sehr illegale Dinge an, die ich nicht vertiefen werde, weil Spoiler. Doch statt mehr über Anna Marias Innenleben zu erfahren, schien hier der Fokus eher auf den Partys von ihr und ihren Freundinnen zu liegen. Wie gesagt: Da wurde meiner Meinung nach leider eine große Chance verpasst.

Auch blieben die Beschreibungen der Umgebung und der Figuren leider sehr im Klischee stecken. Kann man mögen - ich tue es nicht. Ich bin Tirolerin - mit muhenden Kühen, weiten Feldern und Erklärungen, dass der Dialekt in Oberösterreich so schwer zu verstehen sei, kriegt ihr mich nicht. Damit bin ich aufgewachsen. Das ist für mich normal. Und: Ich bekomme Augenzucken, wenn ich daran denke, mit welchen Dialektworten die Protagonistin hier ach so große Probleme hatte. Die sind wirklich zahm: "Ötan" statt "Eltern". Ob es wirklich genauso geschrieben wurde, weiß ich leider nicht mehr. So wirkte die Protagonistin leider einfach dumm, zumindest meiner Meinung nach. So, als könnte sie minimale Abänderungen von der Standardsprache nicht mehr verstehen. Wenn sie mit dem Beispielwort, das hier genannt wurde, schon Probleme hat, dann sollte sie auch nuschelnde und lispelnde Menschen nicht verstehen können. Der dargestellte Dialekt ist hier wirklich zahm. Ich würde es verstehen, wenn Anna Maria Probleme mit dem Unterschied von "aui" und "oi" hätte oder nicht wüsste, was denn "Fackalar" sind. Oder was "potschad" bedeutet oder "wompat" oder "Bissgurn" oder "Schlampetatsch". Ihr seht, worauf ich hinaus will? Und nein, die Bedeutung dieser Worte bekommt ihr nicht mitgeliefert. Die verschiedenen Tiroler Dialekte sind toll, bieten viele spannende Worte und Redewendungen und wenn ihr diese Worte nicht kennt, habt ihr was verpasst. Viel Spaß beim Googeln!

Auch sehe ich hier leider kein Matriarchat, keine Utopie und keinen Feminismus. In der Realität ermorden Männer Frauen - aber meiner Meinung nach reicht es nicht, den Spieß umzudrehen, um ein Werk feministisch zu machen. Und selbst wenn das reichen würde und das wirklich ein Matriarchat wäre: Es wird hier auf vielleicht zwei Seiten abgehandelt, wie das entstanden ist. Im Alltag merkt man davon (abgesehen von den ermordeten Männern) leider nichts. Und ja, vielleicht könnte man das auch als Satire lesen. Aber das ist halt einfach nicht das, was ich erwarte, wenn im Klappentext das Wort "Matriarchat" fällt.

Ein letzter Kritikpunkt noch: Ich mag es überhaupt nicht, wenn es in Büchern zu Markennennungen kommt und halte es für zumindest problematisch, wenn popkulturelle Anspielungen genannt werden. Hier wird zum Beispiel eine Szene beschrieben, in der Haftbefehl zu rappen beginnen würde, wenn das ein Film war. Da hatte ich schon nur eine grobe Vorstellung, wie das sein könnte, weil ich (Deutsch-) Rap zu großen Teilen verweigere, in ein paar Jahren wird man sowas nicht mehr wirklich verstehen können. Außerdem hatte ich manchmal das Gefühl, dass diese Anspielungen eine Beschreibung der Stimmung oder Emotionen ersetzen sollten. Für mich persönlich hat das leider nicht funktioniert.

Mein Fazit? Dieses Buch war leider nichts für mich. Schade.